Freitag, 25. November 2011

Der letzte Abend auf der Geschlossenen. Eigentlich heißt es heutzutage „Geschützte“. Aber nein, Geschlossene gefällt mir mehr. Geschlossen. Alles ist geschlossen. Die Fenster. Die Türen. Die Menschen. Warum Geschützte? Schützt man die Menschen draußen vor uns? Oder uns Irren drinnen vor der bösen Welt da draußen?

Ich sitze im Raucherraum. Mir gegenüber Lia, meine Bettnachbarin. Lia ist eine Bombe. Indische Wurzeln, wunderschön ist sie. Spirituell angehaucht. „Das ist mein Universum, Marie.“ Sie hält eine Orange in der Hand. „Hier ist der Mond.“, sie deutet auf etwas imaginäres, links von der Orange. „Das ist die Sonne“, auf der rechten Seite. „Mehr brauche ich nicht. Mein Universum.“ Sie kramt in ihren Hosentaschen und bringt eine kleine Dose Bebe-Creme, einen Kugelschreiber und mehrere bekritzelte Zettel zum Vorschein. „Mehr brauch ich nicht zum Leben. Das ist alles was ich brauche.“ Sie sieht mich an. „Du bist meine bessere Hälfte. Ich bin die Kraft, du bist die Ruhe. Seit du hier bist, kann ich schlafen. Du überträgst deine Ruhe auf mich.“ – „Lia, verdammter Scheiß. Jeden Tag erzählst du die gleichen Geschichten. Du gehst uns auf die Nerven!“, flucht ein alter Mann im Rollstuhl, dessen Namen ich nicht kenne. „Ich gehe euch auf die Nerven? Ihr geht euch selber auf die Nerven, Mister T. Was ist tue, ist euch zu heilen!“ Sie verlässt den Raum. 
„Warum ist sie überhaupt hier?“, frage ich in den Raum. „Psychose. Hing mit Psychologiestudenten rum, wollte an ihr Unterbewusstsein. Und da ist sie hängen geblieben.“, antwortet mir Florian, an dem Lia ständig klebt. Psychologiestudenten.. da gehörte ich vor ein paar Monaten ebenfalls noch zu. Trübe Gedanken steigen mir in den Kopf. Dass ich mal wieder etwas nicht hinbekommen habe, was ich mir vorgenommen hatte. Dass ich wieder mal alle enttäuscht habe. Mich selbst am meisten. Zukunftsängste. Wie soll ich mein Leben jemals auf die Reihe bekommen? Wenn ich nicht mal weiß, was ich überhaupt erwarte vom Leben. Ich liege inzwischen im Bett, die Gedanken kreisen. Ich bemerke die steigende Anspannung in mir. Das Kribbeln in den Zehen und Fingerspitzen. Da ich nicht weiß, wie ich anders von den Gedanken loskommen kann, suche ich die Toilette auf und stoße mir den Zeigefinger tief in den Rachen.

2 Kommentare:

Elisabeth hat gesagt…

entschuldige, dass ich dir jetzt erst schreibe. es fällt mir im moment nicht sehr einfach. ich mag deinen blog. du schreibst schön. einfach. aus dem bauch heraus. es berührt mich. so viele gedanken und emotionen, die ich teile.
darf ich fragen, warum du in der geschlossenen gelandet bist?

herzlichste grüße.
elisabeth.

amelie. hat gesagt…

Dein Blog gefällt.

Alles Liebe für Dich,
a.